Aaseher Sommer 2006: Wer war Dietrich Bonhoeffer?

Unsere Anschrift: Bonhoefferstraße 54
Wer war Dietrich Bonhoeffer?

Am 4. Februar diesen Jahres wäre Dietrich Bonhoeffer 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir einen Artikel wieder, den Detlef Ruschinzik für die Ausgabe August 1994 des Aasehers geschrieben hat. Damals war er als Student Fußballer beim SV Blau-Weiß Aasee. Heute ist er Pfarrer in Havixbeck.

Die Heimat des SV Blau-Weiß Aasee liegt bekanntlich an der Bonhoefferstraße. Wer aber war Dietrich Bonhoeffer? Gibt es eine Verbindung zum Verein? Beim 08/15 Quiz würde die Frage wahrscheinlich so lauten: War Dietrich Bonhoeffer
a) der Erfinder des Schalker Kreisel
b) Münsters Türmer von 1718-1764
c) Ein evangelischer Theologe und Widerstandskämpfer?

Was auf dem Straßenschild steht
Auf Anhieb würden wir selbstredend auf Antwort c) tippen, da - der Stadt Münster sei Dank - am Straßenschild der nach ihm benannten Straße für interessierte Zeitgenossen ein kleines Zusatzschild mit eben dieser Information angebracht ist. Ich denke, es lohnt sich aber auch noch ein wenig genauer nachzufragen, wer dieser Dietrich Bonhoeffer war. Und das nicht nur, weil in diesem Jahr der Film "Schindlers Liste" acht Oskars eingeheimst hat, 50 Jahre D-Day gefeiert und an den 50. Jahrestag des Attentats auf Hitler gedacht wird.

Was nicht auf Straßenschildern steht
Am 4. Februar 1906 als sechstes von acht Geschwistern in Breslau (Schlesien) geboren, studierte Dietrich Bonhoeffer in Tübingen, Rom und Berlin evangelische Theologie. Seine Promotionsschrift "Sanctorum Communio" erregte ebenso Aufsehen wie seine Habilitationsschrift "Akt und Sein". Schon früh suchte und pflegte Bonhoeffer (weltweite) ökumenische Kontakte. So studierte er ein Jahr am Union Theological Seminary (USA), absolvierte seine Vikariatszeit in Barcelona und arbeitete als Pfarrer in London. Zwischenzeitlich war er in Berlin Studentenpfarrer.

Im Widerstand
Hitlers Machtergreifung zog Bonhoeffer wie nie zuvor in den Tageskampf seiner Kirche hinein. Bald stand der nun 27jährige im Zentrum der Opposition, antreibend, kritisierend. Oft fanden seine Vorschläge zu Aktionen keine Mehrheit bei den Amtsbrüdern. Wer war schon dieser junge, unbekannte Mann für die Erfahrenen im Amt? Angesichts seiner Erfolgslosigkeit trat Bonhoeffer den Rückzug aus der vordersten Kampflinie an und trat im Oktober 1933 das Amt des Pfarrers in einer Londoner Auslandsgemeinde an. Vorher wurde er jedoch noch Mitglied im von Martin Niemöller gegründeten Pfarrernotbund der Bekennenden Kirche (protestantische Widerstandsbewegung).
Zwei Jahre später kehrte er zurück nach Deutschland und wurde Leiter des Predigerseminars der Bekennenden Kirche in Finkenwalde. 1936 wurde ihm die Lehrerlaubnis entzogen und ein Jahr später das Seminar von der SS vorübergehend aufgelöst. Ein Jahr danach wurde Bonhoeffer aus Berlin ausgewiesen und mit der zweiten Auflösung des Predigerseminars erhielt er Redeverbot, später dann auch Schreibverbot.

Tod im KZ
Dietrich Bonhoeffer schloss sich der politischen Widerstandsbewegung im Kreis der Abwehr an, von der er 1942 über den englischen Bischof von Chichester G. Bell die englische Regierung zu unterrichten suchte. Leider ohne Erfolg. Am 5. April 1943 wurde er verhaftet und in den letzten Kriegstagen mit den führenden Männern der Abwehr (Canaris, Oster) zusammen im KZ Flossenbürg wie sein Bruder Klaus und zwei Schwager ermordet.
Im Mittelpunkt seiner Theologie stehen das Kirchenproblem, die "Diesseitigkeit" des Christentums und die "nichtreligiöse" Interpretation der biblischen Begriffe in der mündig gewordenen Welt sowie Fragen der Ethik. Wegweisend ist die Bedeutung Bonhoeffers auch für die Theologie der Gegenwart, die in den letzten Jahren ein steigendes Interesse am Leben und Werk Bonhoeffers zeigte. Aus seiner Haft heraus sind Briefe und Gedichte erhalten, die in dem viel beachteten Buch "Widerstand und Ergebung" gesammelt und veröffentlicht sind.

Bonhoefferstraße - nur ein Name?
Als Mitglieder eines Sportvereins, der über den "Tellerrand" der eigenen Interessen hinausschaut, sind wir Frauen und Männer vom SV Blau-Weiß Aasee stolz, unser Domizil an einer Straße zu haben, die nach diesem Menschen benannt ist. Sein Kampf gegen das Terrorregime der Nazis soll uns Mut machen, auch in unseren Tagen Augen und Ohren offen zu halten und gegen Faschismus, Unrecht und Fremdenfeindlichkeit Flagge zu zeigen.
Eines der bekanntesten Gedichte schrieb er angesichts des sicheren Todes am Silvestertag 1944. Die Hoffnung, die in diesen Zeilen deutlich wird, möge uns ein Beispiel sein, wie Glaube gerade in aussichtslosen Situationen Quelle der Kraft und Zuversicht sein kann.

Von guten Mächten
wunderbar geborgen
erwarten wir getrost
was kommen mag.
Gott ist bei uns
am Abend und am Morgen
und ganz gewiss
an jedem neuen Tag.

Detlef Ruschinzik